Heute Morgen bin ich doch schwer angeschlagen aufgewacht meine Blase am rechten Fuss macht noch immer Alarm sprich jeder Schritt ist ein Tritt von unten. Wenigstens ist nichts verfärbt was mich etwas beruhigt. Dank einiger Reisen mit Reisegruppen und der gehäuften Begegnung vieler lieber Krankenschwestern in der Vergangenheit, habe ich von Ihnen gelernt wenn sich unser Körper verfärbt ist das selten ein gutes Zeichen. Die lange anstrenge Etappe von gestern steckt mir noch in den Knochen heute reiße ich keine Bäume aus und wohl auch keine Kilometer runter wozu auch – ich fühle mich trotz allem sehr ausgeruht, ich konnte trotz des Trubels der Stadt unter mir, einen Bärenschlaf schlafen und genieße es im Einzelzimmer auf niemand Rücksicht nehmen zu müssen, alles auszubreiten herrlich, es fühlt sich an wie Urlaub vom Jakobsweg. Würden meine zwei Spanier mich noch begleiten, wären wir sicher gestern Abend noch ausgegangen aber so war es dann mir und meiner Fußblase auch recht. Um halb zehn verlasse ich dann die Pension und meine ersten Schritte gehen in Richtung Panderia dort kaufe ich mir ein Schokocroissant und eine Empanada. Danach versuche ich die Kathedrale zu fotografieren was gar nicht so einfach ist, einmal weil die Kirche ziemlich von den Häuser umzingelt wird und zum anderem weil ich nur meine Reisekamera dabei die mit ihrem kleinen Objektiv hier deutlich überfordert ist auch wenn sie als Kompaktkamera für 80% aller Motive vollauf genügt, heißt es nun eben „von hinten quer durch die Brust“ fotografieren.
Auf die 10.30 Uhr Messe habe ich keine Nerven warum auch immer – ich möchte mir in Ruhe die Stadt anschauen außerdem brauche ich Luft und Licht dieses Enggebaute hier ist nichts für mich – Wanderpilgervogel. Außerdem scheint mir dass sich der Pilger und die Großstadt nicht richtig vertragen obwohl Bilbao von den Gebäuden her sehr schön ist und alles dafür tut sich dem Fremden zu gefallen. Nachdem ich im Schneckentempo ein paar Ecken passiere finde ich in einer Seitenstraße noch eine nette Cafébar hier trinke ich einen Cafe con leche und dann geht es los zur Sightseeing-Tour.
Raustretend aus den dunklen Straßengassen stehe ich plötzlich auf einem Platz inmitten von Licht und Großstadttrubel. Schlendernd am linken Flussufer strebe ich Richtung Guggenheim Museum, gelbe Pfeile sind nicht zu sichten dafür überall kleine Hinweisschilder zu den städtischen Attraktionen unter anderem eben das Guggenheim Museum.
Während meines morgendlichen Promenieren am Flussufer ärgere ich mich das die Harmonie zwischen mir und dem Universum nicht komplett im Reinen ist, eine Winzigkeit von Blase lässt meine Reise nach Santiago gefährden, dabei sind meine Sehnen und Knochen alle wohlgerüstet und die Kondition ist auch gut. Ja lieber Leser wir sind immer noch im Tal der Tränen doch in nicht allzu weiter Zukunft wird alles anders – versprochen.
Da heute Sonntag ist, sind selbstverständlich wieder Legionen von Jogger unterwegs, insbesondere wie in allen Großstädten dieser Welt, so auch in Bilbao, am Uferweg. Nebst Läufern auch Touristen so werde ich kurz vor dem Museum dann von einer amerikanischen Großfamilie überholt – ja ich bin echt langsam unterwegs – und das geschnattere und Getue der vier Teenager nervt mich extrem. Am Museum angekommen bin ich von der Architektur sehr fasziniert, es ist in der Tat ein Gebäude das man einmal bei schönem Sonnenlicht gesehen haben sollte. Leider soll die Ausstellung im Museum selbst nicht so grandios sein aber ich habe heute eh keine Lust auf Ausstellung und geplant hatte ich es auch nicht – nachdem Spinne und bunter Hund fotografiert sind kommt mir ein Mann entgegen der ein T–Shirt trägt vom Halbmarathon in Stuttgart aus dem Jahr 2010 – ich bin verblüfft. Ausgerechnet aus meiner Heimatstadt läuft jemand mit einem Finisher T–Shirt durch Bilbao – kurios. Normalerweise hätte ich ihn angesprochen, bin da nicht so verlegen aber mit meiner derzeitigen Laune lasse ich das lieber. Das große Thermometer an der Touristeninfo in der Nähe vom Museum zeigt um 11.00 Uhr 28 ° C an, d.h. wir werden heute Nachmittag ca. 34 ° C haben. Die Entscheidung ist nun zu fällen entweder mit der Metro rauszufahren oder brav den Weg durch das Industrieviertel nach Portugalete zu gehen. Es ist sehr schnell entschieden, ich gehe in das Touri–Büro und hole mir einen Stadtplan von Bilbao gehe zur nächsten Metrostation und fahre mit Linie 2 nach Portugalete. Ich, meine Blase und mein Rucksack sind glücklich.
Grundsätzlich soll ja der Pilger alles zu Fuß gehen nur wenn er krank ist darf er eine Ausnahme machen. Ich hätte es vielleicht an diesem Tag geschafft auch nach Portugalete zu wandern aber das Risiko dann doch noch was ernsteres mir zu einzufangen war dann doch recht hoch. Wenn man eine Blase hat läuft man automatisch immer ausgleichend, damit man nicht immer auf die Blase tritt, das ist bei kurzen Distanzen im Alltag kein Problem aber bei Entfernungen von mehr als 10 Km plus Gepäck auf dem Rücken nicht mehr gesund für die Hüfte und den ganzen Bewegungsapparat; außerdem man muss sich auch helfen lassen wie mein Pilgerkamerad Johannes mir einmal sagte; Johannes werdet ihr später kennenlernen den gab es in Bilbao noch nicht.
Ich steige aus und bin gleich in einer ganz anderen Atmosphäre als in Bilbao ja hier riecht es schon mehr nach Pilgerwesen. Die Entscheidung war vollkommen richtig mit der Metro zu fahren, die Harmonie mit dem Universum wird besser wie die Chinesen sagen pflegen. Bei ebensolchem Chinesen der mit seinem kleinen Sohn, seinen Laden geöffnet hat, kaufe ich erst mal wieder Survivalnahrung in Form von 1,5 L Wasser, Bocadillo, eine Dose Bier und eine Dose Cola und Chips damit ist der Überlebensinstinkt erstmal zufrieden. Nach ein paar Schritten sehe ich dann auch zum erstenmal die berühmte rote Hängebrücke von Portugalete. Ein wahrer Hingucker dieses kuriose Bauwerk (erbaut wurde es von einem Schüler von Gustav Eifel, dies sieht man dem Brückchen an quasi ein quergelegter Eifelturm), leide kann ich nicht mit der Gondel fahren das hätte ich machen müssen wenn ich gewandert wäre, so zur Strafe darf ich eben nur schauen aber das reicht auch.
Mittlerweile bin ich am Platz der Kirche von Santa Maria angekommen von diesem über Portugalete thronendem Plätzchen ist die Aussicht grandios, nach links sieht man die Hängebrücke und nach rechts sieht man in naher ferne die Stadt Bilbao und der ruhig dahin fließende Ria de Bilbao und direkt darunter die schmucke Innenstadt von Portugalete – prächtig. Bevor ich mich auf eine der Parkbänke setze möchte ich mein Glück versuchen ob nicht doch noch die Kirche offen. Ich habe Glück der Gottesdienst ist gerade zu Ende, ich schlüpfe geschwind in die Kirche und der Anblick ist etwas düster, da man gerade dabei ist alles Kerzen und Lichter auszumachen – ach ja die Spanier mit ihren Kirchen schnell zu bevor ein Pilger kommt – ich schnappe mir dann doch den Messner und frage ihn ob ich einen Stempel in meinem Pass bekommen könnte, er ist zwar ziemlich Busy mit Kirche aufstuhlen beschäftigt aber einen Pilger darf er nicht stehen lassen und er macht es dann auch trotzdem recht freundlich und wünscht mir einen sicheren Camino – ein Kirchenstempel eine Rarität auf dem Küstenweg! Bin immer glücklich wenn ich einen bekomme, das schlechte Gewissen meldet sich trotz viel Freude, kein Meter heute gepilgert und trotzdem einen Kirchenstempel abgestaubt – ja so ist der Camino – er gibt er nimmt – wann und was er will. Draußen vor der Kirche haben ein paar ältere Damen mich mitbekommen bzw. meine Stempelaktion in der Kirche. Sie möchte alles wissen woher ich komme und wohin ich gehe und als sie meinen Pilgerausweis sehen, der auf der Rückseite alle Caminos in Spanien zeigt, sind sie ganz begeistert. Auch hier wird mir nun, von einer Traube älterer Herrschaften, ein besonders herzlicher Buen Camino gewünscht. Die Harmonie mit dem Universum schreitet voran. Ich verabschiede mich und gehe nun zum hübschen Plätzchen unterhalb der Kirch mit dem Panoramablick und setze mich stillvergnügt auf eine Bank und esse mein Mittagsbrot, in Form von Bocadillo und Bier. Auf der Nachbarbank sitzt ein Herr der ebenfalls wie ich die ruhige Aussicht genießt, vom Aussehen her scheint er aus Lateinamerika zu kommen, da ich selbst schon in Peru war tippe ich auch auf dieses Land. Nach gewisser Zeit fängt er dann auch ein Gespräch an – er kommt aus Bolivien – fröhlich plaudernd erzählt er mir das er hier seit einem halbem Jahr arbeitet und davor fünf Jahre in Genf gearbeitet hat. Aufgrund der besseren Einkommen sind recht viele Lasteinamerikaner in Europa als „Wanderarbeiter“ unterwegs, er selbst möchte jedoch recht bald wieder zurück nach Bolivien er hat dort Familie und Kind die er selbstverständlich vermisst. Wir verstehen uns sehr gut trotz meiner mittelmäßigen spanisch Sprachkenntnisse. Stolz erzähle ich von meinem Urlaub in Peru und wie faszinierend ich das Land fand er empfiehlt dann natürlich Bolivien zu besichtigen von meiner Reise auf dem Camino erzähle ich ihm und merke mal wieder was für ein großer Luxus es darstellt einfach so ohne große Verpflichtung zu Reisen. Leider müssen wir beide weiter er muss zurück nach Bilbao und ich mache mich auf zur Touristik – Information um eine Übernachtungsmöglichkeit zu bekommen. Eine Herberge gibt es im Oktober nicht mehr, da die hiesige Ende September geschlossen wird. In der Touri – Info erwartet mich ein junger Mann der hervorragend Englisch spricht und mir auch gleich eine Unterkunft hat. Da sehr wenig los ist kann er mir auch bei der weiteren Etappenplanung helfen. Er empfiehlt mir morgen erstmal mit dem Bus nach La Arena zu fahren und dann von dort bis Castro Urdiales zu wandern, eine sehr gute Idee. Ich würde mir dadurch Streckenkilometer und Höhenmeter sparen. Zum Schluss will er mir noch einen Stempel für den Pilgerausweis geben den ich aber Stolz zurückweise weil ich ihm meinen frisch erworbenen kirchlichen Stempel entgegenhalten und auch er ist beeindruckt. Daraus entwickelt sich noch ein Gespräch über die spanische Kirche und die junge Generation die teilweise sehr neutral der katholische Kirche gegenübersteht, so wie ich es hier in Spanien überraschender weise auch erfahren haben. Er erklärt mir dann auch warum die Kirchentüren immer zu sind, es fehlt schlicht an Geld um die Kirchen offen zu lassen hm ja aber wir sind doch auf dem Jakobsweg nun ja so ist das wohl. Mit der Aussicht auf ein festes Dach für die Nacht verlasse ich die Touristik – Information. Das erträumte Bild von Spanien ist in Realität dann doch ein anderes.
Viele Häuser in Portugalete sind gelb/rot gestrichen was dann mit der roten Hängebrücke eine wunderbare Stimmung erzeugt ähm sogar mein WC auf meinem Zimmer ist im Stadtdesign gehalten als Designfreund bemerke ich solche Feinheiten sehr wohlwollend. Ich stiefele nun zuerst zu einer Bar, von dort werde ich dann in das Pensionszimmer persönlich geleitet – uff der Tag ist überstanden.
Nach Dusche und kurzem Nickerchen ziehe ich dann zum Abendessen los, leider sieht es da eher schlecht aus, ich bekomme dann in einer Bar ein paar Bratkartoffeln mit Ketchup und Bier nun gut ich bin Pilger und kein Tourist von daher ist das mehr als ausreichend, während ich esse macht die kleine Tochter des Wirts fröhlich Luftblasen die gigantische Ausmaße annehmen. Nach dem Essen schlendere ich noch etwas an der Promenade entlang und bin nun doch recht in Harmonie mit dem Universum, nicht in Allerhöchster Harmonie aber in einer ganz anderen Gemütslage als heute Morgen in Bilbao.
Wundern tue ich mich nur wo die große Pilgerfamilie abgeblieben ist? Nirgendwo sieht man jemand. Nun ja die werde ich dann schon noch bald wieder treffen, hoffe ich mal. Die Pilger die ich bereits kennengelernt habe sind ca. 1 – 2 Etappen hinter mir (aufgrund meines Marsches direkt nach Bilbao und Metrofahrt) ich vermute aber das viele Pilger in Bilbao den Jakobsweg beginnen und damit die Chance sehr hoch sind das ich morgen neue Leute kennenlernen werde. Die Pilgerfamilie ist eine Gruppe Pilger die von Ort zu Ort zieht, da man beim Wandern anders wie beim Radfahren ein ähnliches Tempo hat trifft man sich dann auch immer mal wieder, den einen lernt man sehr schätzen den anderen schätzt man mal nicht so aber wie in der richtige Familie gehören alle dazu und im Zweifel hilft man sich gegeneinander, den jeder das gleich Ziel – hier und im wahren Leben.
Mein erstes Fazit bestärkt mich: Die Suche zu anderen Pilger und nicht im Kilometer ablaufen ist richtig und wichtig. Um einen erfüllten Camino zu haben sollte man offen zu sich und anderen sein. Grundsätzlich ergibt sich diese Ehrlichkeit und Offenheit von selbst auf dem Weg und mit etwas gesundem Menschenverstand erkennt man auch wem man sich öffnen kann und wer eher nicht zu einem passt.
Abends gehe ich noch einmal zu dem Platz von Santa Maria und schaue zu den flirrenden Lichter von Bilbao hinüber und dann hoch zu den weiten Sternen deren Lichter uns weit träumen läßt- vielleicht existiert der Stern nicht mehr der uns gerade so ins Herz trifft doch ist sein Licht der Beweis seiner Existenz von ihm und erhebt uns Sternengucker zu ihm und weit höherem – alles macht Sinn nichts ist umsonst in diesem Universum – ach nun doch Allerhöchsten Harmonie für heute Abend.
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